Wann ist (D)ein Bild fertig?

von | Sep 15, 2020 | Impulse für ein kreatives Leben | 0 Kommentare

Heute möchte ich einen heiter-informativen Mail-Austausch mit einer Video-Anschauerin mit Euch teilen. Mögen Euch die Worte inspirieren und Lust aufs Ausprobieren machen.

Hallo Ulrike,
ich bin neulich auf Deine Videos gestoßen und total fasziniert davon, mit welcher Leidenschaft Du gestaltest. Das finde ich sehr schön und inspirierend. Zu einem der Videos (Kreativ-Espresso #9: Bildermalen im Vorbeigehen) habe ich eine Frage an Dich: Wann ist für Dich ein Bild „fertig“ oder „unfertig“?
Dieses konkrete Bild in dem Video zum Beispiel empfand ich nicht als zu wenig gestaltet. Ich fand es interessant, es ließ auch noch viel Spielraum für die Fantasie. Wie entscheidest Du das?
Vielleicht sagst Du jetzt „Intuitiv, natürlich!“ ?
Ja, das wird wohl so sein. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Du dazu etwas mehr sagen könntest.

Hallo X,

vielen Dank für Deine Nachricht.
Ich habe mir ein paar Tage Zeit genommen, um ausgiebig über Deine Frage nachzudenken.

Im Laufe der Jahre ist mir aufgefallen, dass grundsätzlich jeder Mensch ein anderes Empfinden für (s)ein fertiges Bild hat.
Das ist, denke ich, abhängig von der Persönlichkeit, von der künstlerischen Erfahrung und auch von der Absicht beim Malen.

Ich bin eher so veranlagt, dass ich gern die Bilder fülle und immer mehr in die Feinheiten eintauche – noch detaillierter und noch detaillierter…
Das FERTIG-SEIN eines Bildes nehme ich dadurch wahr, dass ich keine weiteren Handlungsimpulse mehr bekomme. Es ist dann eben einfach gut. Und ich lasse es gut sein. Wenn ich mehrere Tage hintereinander beim Bild-Betrachten nichts wahrnehme, dann ist es offenbar fertig.

Allerdings kann das nach dem erneuten Betrachten -ein oder mehrere Jahre später- durchaus anders sein und ich lasse mich hinreißen, dem Bild noch etwas hinzuzufügen. Das ist schon des öfteren vorgekommen.

Die Kunst ist, das Bild nicht zu überladen. Und selbst diese Empfindung ist extrem individuell.


Hallo Ulrike,
danke für die Antwort! Ja, das war aufschlussreich und ist für mich gut nachvollziehbar. Mir ist allerdings noch die Frage gekommen, ob Du schon einmal im Nachhinein das Gefühl hattest, weniger wäre doch mehr gewesen. Ich habe es nämlich auch erlebt, dass ich eine Ergänzung eines Bildes später bereut habe.

Hallo X,

oh ja, natürlich hatte ich schon oft das Gefühl, das Bild „totgemalt“ zu haben.
Nur so können wir ja DEN Punkt kennen lernen, den es nicht zu überschreiten gilt.

Das ist, glaube ich, ähnlich wie mit Genussmitteln: wir probieren sie aus, übertreiben es, bereuen es, nehmen uns vor, das nicht mehr zu tun, übertreiben es nach einer Weile wieder…
So lernen wir mit der Zeit, auf die Zeichen unseres Körpers zu hören.
Beim Malen lernen wir ebenfalls, ein Gefühl dafür zu entwickeln, um den optimalen „Aufhören-zu-Malen-Punkt“ wahrzunehmen.

Allerdings sollten wir niemals unsere Abenteuerlust aufgeben, nur weil wir keine Bilder „versauen“ möchten. Das wäre fatal und ein Entwicklungshemmnis!
Es ist gut, immer mal wieder ein Bild zu „versauen“ bzw. direkt mit dieser Absicht in den Mal-Prozess hineinzugehen. So bleiben wir locker und offen fürs freie Spielen und Entdecken in der Kreativität.


Vielleicht magst auch Du Dich fragen…

Wie erkennst Du, ob ein Bild fertig ist oder nicht?
Hast Du schon einmal ein Bild bewusst „totgemalt“?
Wie gehst Du damit um, wenn Du den „Punkt überschritten“ hast?

Ich freue mich auf Eure Kommentare und wünsche Euch einen kreativen Tag! 🙂

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